Arbeitest du in einer super steilen Pyramide, deren hohe Spitze du nur noch erahnen kannst oder ist dein Arbeitsplatz mehr eine Brücke, auf der alle gleichberechtigt nebeneinander stehen?
Die folgenden Zeilen beschäftigen sich mit flachen und steilen Hierarchien, ihrem Nutzen und der Frage, ob und wie ein Unternehmen mit Heterarchie anstatt Hierarchien wirklich funktionieren kann.
Warum brauchen wir Hierarchie?
Der Wunsch nach Sicherheit und Ordnung ist teilweise tief in unseren Genen verankert und hierarchische Ordnungen waren und sind in der frühen Menschheit und jetzigen Tierwelt teilweise lebensnotwendig. Die formelle Zuschreibung von Rollen und Verantwortung gibt Struktur und verhindert den internen Kampf um Macht und Autorität. Das Streben nach Gleichberechtigung und die Wahrung einer sicheren Ordnung stehen in Konkurrenz, soll aber in der modernen Arbeitswelt kombinierbar werden.
Die Wortherkunft leitet sich aus dem Altgriechen von hieros („heilig“) und archē („Führung, Herrschaft“) ab. Der Gedanke, Führungskräfte wurden früher gottähnlich verehrt, sollte dir jedoch keine Sorgen bereiten. Der Begriff wurde anfangs nur in der Religion benutzt und bezeichnete unter anderem die Priester- und Engelsordnung. Starre Hierarchien werden mittlerweile alles andere als engelsgleich, sondern als oft längst überholt angesehen und einige Unternehmen wollen diese im Sinne der Selbstbestimmung und -organisation ganz abschaffen. Unter welchen Umständen dies sinnvoll ist und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen, wollen wir im Folgenden klären.
Was sind flache Hierarchien oder Heterarchie?
Um mehr Gleichberechtigung, Freiheit und Eigenverantwortung zu schaffen, streben einige Unternehmen eine Heterarchie an. Dies bedeutet im Gegenteil zur Hierarchie, dass Systeme gleichberechtigt nebeneinander stehen und sich selbst organisieren können. Dies kann jedoch auch zu Schwierigkeiten führen und impliziert eine gute Organisation und ein revolutionäres Mindset der Mitarbeiter:innen.
Vorteile von Heterarchie
- schnelle, unkomplizierte Kommunikation und Entscheidungsfindung
Gibt es in einem Unternehmen weniger Hierarchieebenen, steht den einzelnen Mitarbeiter:innen oft mehr Entscheidungs- und Handlungsspielraum zu. Neue Ideen und Problemlösestrategien können schneller umgesetzt werden, ohne dass sie von verschiedenen Instanzen abgesegnet werden müssen. So kann auf verschiedene Entwicklungen effizienter reagiert werden und die Kommunikation auf schnellem und einfachem Linienweg innerhalb der Abteilung erfolgen. Durch eine erhöhte Flexibilität und effiziente Zusammenarbeit kann sich ein Unternehmen agiler auf dem Markt positionieren und einen Wettbewerbsvorteil schaffen.
- Ressourceneinsparung
Kann das hohe Gehalt, welches für Führungskräfte ausgegeben wird, eingespart werden, profitiert nicht nur der Arbeitgeber, sondern häufig werden diese Einsparungen in Gehaltserhöhungen oder anderen Benefits für alle gleichgestellten Mitarbeiter:innen umverteilt. - Positive Zusammenarbeit durch Mitbestimmung und Identifikation
Begegnen sich die Mitarbeiter:innen auf Augenhöhe und werden auch dementsprechend gleich entlohnt, gibt es weniger Konkurrenzkampf und die Atmosphäre verändert sich zunehmend. Es entsteht eine stärkere und freundschaftliche Stimmung. Jedes Teammitglied fühlt sich wertgeschätzt, trägt mehr zu Entscheidungen und Veränderungen bei und besitzt Mitbestimmungsrechte. Dadurch fühlt sich keine Mitarbeiter:in unbedeutend und kann auf den Unternehmenserfolg positiv Einfluss nehmen. Dies steigert zudem das Verantwortungsgefühl, die Identifikation mit dem Unternehmen und somit die Leistungsbereitschaft.Wie der Unternehmenserfolg dank Mitarbeiter-Zufriedenheit gesteigert wird, kannst du im gleichnamigen Artikel nachlesen.
Herausforderungen in der Heterarchie und wie man diese überwinden kann
- Keine klare Struktur in der Aufgabenverteilung
Gibt es in den verschiedenen Abteilungen keine Abteilungsleiter:innen, die sich regelmäßig vernetzen und für das ganze Unternehmen relevante Entscheidungen treffen, kann es zu mangelnder Informationsweitergabe und Entscheidungen kommen. Wenn Rollen und Aufgaben im Unternehmen nicht klar kommuniziert und festgelegt werden, kann es schnell zu einer Verantwortungsdiffusion (bei der sich keiner verantwortlich fühlt) kommen und Regeln missachtet werden. - Weniger Anreiz und Kontrolle
Fallen Kontrollinstanzen und Belohnungssysteme, wie Beförderungen und Lohnerhöhungen weg, können flache Hierarchien statt zu einem erhöhten Verantwortungsbewusstsein auch zu einer Minimierung des Arbeitseinsatzes führen. Regelbrüche und Pflichtverletzungen werden ohne direkten Vorgesetzten oft weniger schnell erkannt und es wird ihnen nicht entgegengewirkt. Dies kann auch bei den Teamkolleg:innen zu einem Gefühl der Ungerechtigkeit und Frustration führen. - Kompetenz und Motivation sind essentiell
Haben einzelne Mitarbeiter:innen und auch Neuzugänge mehr Entscheidungsspielraum, spielen sowohl das Pflichtbewusstsein als auch die Fachkompetenz eine weitaus entscheidendere Rolle, als wenn jegliche Arbeit nochmal von übergeordneten Instanzen überprüft und analysiert wird. Deshalb ist es wichtig, dass jede(r) Einzelne teamorientiert und auf den Unternehmensgewinn fokussiert arbeitet und nicht nur den eigenen Vorteil im Blick hat. Die Motivation, die eigene Arbeit so gut es geht zu erledigen, kann sowohl intrinsisch durch erfüllende und sinnstiftende Tätigkeiten erfolgen als auch durch extrinsische Anreizsysteme entstehen. In dem Artikel “Was führt Mitarbeiter zum Unternehmen, was lässt Mitarbeiter im Unternehmen bleiben?” findest du weitere Anreize, welche Mitarbeiter, an das Unternehmen binden. Neben dem Willen, bestmöglich zu arbeiten, benötigt es auch Wissen, um Entscheidungen nachhaltig und abteilungsübergreifend sinnvoll treffen zu können. Eine spezifische Einarbeitung, diverse Onboarding-Prozess und interne Weiterbildungsmöglichkeiten oder Job-Rotation, um Unternehmenszusammenhänge besser zu verstehen, sind daher grundlegend von Bedeutung. Eine solche Kompetenzförderung der Mitarbeiter:innen steigert nicht nur die Fähigkeit, selbstbestimmt arbeiten zu können, sondern auch das Gefühl der Zugehörigkeit und Wertschätzung im Unternehmen. - Neues Personalsystem
Anstatt Chefs, ist es wichtig Personen zu haben, die die Mitarbeiter:innen motivieren und leiten, unterstützen und beraten. Diese Position wird am besten von allen Kolleg:innen übernommen und kann vor allem Mitarbeiter:innen mit viel Fachwissen zugeteilt werden. Neben der gewonnenen Freiheit sollen Angestellte sich trotzdem nicht verloren fühlen und jemanden an ihrer Seite wissen, an den sie sich bei Fragen oder Problemen wenden können. Entgegengebrachtes Vertrauen anstelle von Kontrolle kann sich sehr positiv auf das Arbeitsklima auswirken und zu mehr Raum für Kreativität und neue Ideen führen. Zudem ist es relevant, dass alle Stellen abwechslungsreich bleiben und trotz fehlender Aufstiegsmöglichkeit, voller neuer Herausforderungen stecken. Durch Job Enrichment bzw. Job Enlargement kann sich der Aufgabenbereich, die Projektzuteilung aber auch die Verantwortung und der Einfluss signifikant erweitern.
Checkliste Heterarchie
Hat euer Unternehmen alle Voraussetzungen, die für eine Heterarchie notwendig sind?
- Gibt es bei euch einen starken Teamzusammenhalt, sodass jeder den Gemeinschaftsnutzen vor den Eigennutzen stellt?
- Gibt es in eurem Team eine klare, effiziente Kommunikation zwischen den Abteilungen und innerhalb dieser?
- Zeigt jede(r) einzelne Mitarbeiter:in Verantwortungsbewusstsein und schaut bei der Aufgabenerfüllung über den Tellerrand hinaus?
- Gibt es in eurem Team eine klare Rollenverteilung, in der keine höher gestellt ist, aber jeder offen für Tipps und Unterstützung von Kolleg:innen ist?
- Habt ihr eine positive Fehlerkultur, in der Misserfolge nicht bestraft werden, sondern ihr daraus für die Zukunft lernt?
- Gibt es in eurem Betrieb Leader, die motivieren und Richtungen vorgeben können, ohne dabei zu delegieren oder zu befehlen?
Schlussfazit:
Flache Hierarchien bieten viele Vorteile sowohl für Angestellte als auch für Unternehmer. Dabei sollten jedoch einige Hürden und Hindernisse nicht außer Acht gelassen werden, deren Überwindung für eine erfolgreiche Heterarchie notwendig ist. Ganz ohne Regeln lässt sich kein Spiel gewinnen, aber damit jeder gewinnen kann, sollte jeder mit den gleichen Regeln spielen.
Möchtest du in deinem Unternehmen das Teamgefühl stärken oder dich über neue Strukturen austauschen?
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